DEUTSCH
„Was treipt ihr’n so, ich bleip heute im Bett, hap gezz tatschkrien und ollnetflett. Freufreu und knubu, omg, hdl, smile und cu.“
Verstanden? Muss ich das verstehen als Deutschlehrer? Ist das nicht ein hervorragendes Beispiel für Sprachverfall? Oder wird anders herum der Schuh draus: Gerade weil Jugendliche heute so sprechen bzw. schreiben, muss ich es im Unterricht behandeln, um die Schüler da abzuholen, wo sie sind bzw. sie kommunizieren. Aber ist es nicht Aufgabe des Deutschunterrichts, Kindern die unendliche Vielfalt der (deutschen) Sprache vor Augen zu führen, sie zur (literarischen) Hochsprache zu befähigen, so dass sie diese wenigstens lesen und verstehen können? Also Thomas Mann statt SMS-Deutsch, Kleist statt Handygebrauchsanweisung, Fontane statt Jugendbuch!? Doch da fängt die Diskussion bereits an.
Faszination wie Problematik des Faches Deutsch an der Schule sind von der Sache her begründet. Deutsch ist ein Fach mit einem enormen Umfang. Darüber hinaus ist es dasjenige Basisfach, ohne dessen Beherrschung der dazugehörigen Kompetenzen auch in anderen Fächern nichts geht. Schon der Literaturbegriff ist nicht mehr eindeutig: 2016 hat Bob Dylan den Literaturnobelpreis erhalten. Wenn es sich also um Deutsch als Schulfach handelt, dann geht dies mit der Frage nach der didaktischen Reduktion Hand in Hand: Was sollen wir in acht Jahren den Schülern mitgeben, wozu sollen wir sie befähigen? Und was lassen wir links liegen, obwohl es vielleicht auch interessant und ebenso nützlich wäre?
Gehen wir das Ganze doch im Sinne des kompetenzorientierten Ansatzes an, indem wir vom Ende her denken. Das Abitur gibt ja vor, was ein Schüler mit vertretbarem Arbeitsaufwand nach zwölf Schuljahren können sollte: literarische Werke wie Romane und Dramen, aber auch Gedichte und Kurzprosa interpretieren, einen Essay verfassen, schließlich eine allgemeingesellschaftliche Fragestellung anhand eines Textes erörtern. Das klingt zunächst relativ einfach, doch mache man sich nur den Unterschied zwischen dem sprachlichen Niveau eines gängigen Jugendbuchs und der Sprache von Thomas Manns „Zauberberg“ oder Goethes „Faust“ klar. Wie beim Lesen so beim Schreiben: Es ist ein langer und dorniger Weg vom Erlebnisaufsatz bis zum künstlerisch ausgestalteten, stilistisch vielfältigen Essay. Von der automatisierten Beherrschung der Rechtschreibung, Kommasetzung und Grammatik ganz zu schweigen.
Gerade im Schulfach Deutsch ist es folglich wichtig, vom Ende her zu denken. Der Rest ist Schritt für Schritt von da nach dort, immer noch kompliziert und methodisch anspruchsvoll genug. Machen wir uns dies am Beispiel der uneigentlichen Sprache (Metaphern, Symbole etc.) klar und werfen wir einen Blick auf die Ironie. Ironie und Sarkasmus sind bekanntlich die Waffen der Schwächeren, die z.B. im Familienkreis lernen müssen, sich gegen die übermächtigen älteren Geschwister und Eltern zu behaupten. Was aber, wenn dieser Lernort ausfällt mangels Geschwistern und fehlender interfamiliärer Kommunikation? Und was ist mit den eigenen Akzenten, die ich als Deutschlehrer setzen möchte, besonders um auch als individueller Lehrer kenntlich zu sein, weil sie mir schlicht und einfach wichtig sind? Sei es die gute Beherrschung des Konjunktivs wie auch die Lektüre mancher Novelle des Realismus. Schließlich sollte sich der Deutschunterricht nicht darin erschöpfen, möglichst eins zu eins die Anordnungen der oberen Schulbehörden umzusetzen.
Deutsch als Schulfach verlangt mehr denn je die Fähigkeit zur Unterscheidung wie auch den Focus auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler. Entsprechend unterscheiden wir am Goethe-Gymnasium grob drei Phasen der sprachlichen wie literarischen Bildung:
- Sicherung der Grundlagen in Klasse 5 und 6 mit dem Schwerpunkt auf Rechtschreibung, dem Erlernen der Zeichensetzung sowie grammatischer Grundbegriffe und -strukturen und der Erprobung unterschiedlicher Schreibsituationen wie auch der Kenntnis verschiedener Textsorten, als da wären Märchen, Fabeln, Sachtexte.
- In den Klassen 7 - 9 probieren die Schüler sich aus anhand von unterschiedlichen Schreibsituationen, sie lernen Mittel zur Analyse von Texten kennen und darüber hinaus die Vielfalt von vornehmlich literarischen Gattungen wie z.B. die Satire, die Novelle, den Roman etc.
- Klasse 10 hat dann bereits die Anforderungen des Abiturs im Blick, ohne dies zu explizit herauszustellen. Die Basis der textanalytischen Werkzeuge wird verbreitert, Interpretation von Texten aller Art, gerade auch der Kurzprosa wie der Lyrik angebahnt und auch sprachlich wagt man sich nun deutlich in fremde Bereiche wie z.B. in den der griechischen Tragödie wie bei Sophokles’ „Antigone“. Die Oberstufe steht klar im Dienst der Vorbereitung der verschiedenen Aufgaben im Abitur, und wo im Kurs gut mitgearbeitet wird, verbleibt auch Zeit für die Beschäftigung mit nicht abiturrelevanten Werken oder sogar für den gemeinsamen Blick in eine anspruchsvolle Zeitung.
Was haben wir Lehrer dann erreicht? Der Abituraufsatz ist hier eigentlich die beste Rückmeldung, sei es, was die formalen Merkmale wie sprachliche Korrektheit anbelangt, sei es, was inhaltliche Genauigkeit betrifft und die Qualität des Ausdrucks. Eins jedenfalls wird uns immer wieder vor Augen geführt: Es gibt noch viel zu tun, aber es lohnt sich daran zu arbeiten.