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RELIGION


Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie! Durchaus studiert mit heißem Bemühn …

(Goethe, Faust I)

Zum Religionsunterricht am Goethe-Gymnasium

Wir sind privilegiert. Wir - Frau van Rensen, Herr Dr. Aichelin, Herr Heinemann und ich für die evangelischen, Frau Janson, Herr Westermann, Frau Suchomski und Frau Pirzer für die katholischen Schülerinnen und Schüler - sind wir von der Stundentafel her in jeder Jahrgangsstufe vertreten, meistens mit zwei Stunden, was unsere naturwissenschaftlichen Kollegen gelegentlich zu neidvollen Kommentaren bewegt. Zudem genießen wir die Unterstützung der Direktion, was an Schulen für diese Fächer keineswegs selbstverständlich ist, ebenso sind die Stundenplaner freundlich zu uns und muten uns in der Regel kein Schattendasein in 9. und 10. Randstunden zu.

So weit, so gut. Mit dem Unterricht sieht es da schon etwas anders aus. Der Religionsunterricht genießt bei manchen Schülern (so jedenfalls mein subjektiver Eindruck) den Ruf, nicht ganz von dieser Welt zu sein. Was ja auch stimmt. Nur wird die Bedeutung des „Nicht ganz von dieser Welt“ auf Schüler- und Lehrerseite jeweils unterschiedlich interpretiert. Was die einen als Einladung und Aufforderung verstehen, sich ernsthafte Gedanken über das Verhalten des Menschen zu sich selbst, zur Welt und zu ihrem transzendenten Grund zu machen, deuten manche der anderen als Gelegenheit zur, sagen wir mal, freundlich-meditativen Verinnerlichung bei geschlossenen Augen. Hier sich bloß nicht zu viel engagieren und bitte keine großen intellektuellen Ansprüche von Lehrerseite. „Habe nun, ach, Theologie...“! Da auch unsere Schülerinnen und Schüler vom allgegenwärtigen Effizienzdenken infiziert sind, führt das gelegentlich zu der schon fast komischen Situation in manchen Kursen, dass der Lehrer mitunter verzweifelt versucht, das Interesse der Beteiligten zu wecken. Natürlich trifft das nicht auf alle Schülerinnen und Schüler zu. Es gibt auch in unserem Fach die Engagierten, die Fleißigen, die mit Spaß an der Sache. Aber die Gretchenfrage des Religionsunterrichts lautet: Was interessiert die Schüler eigentlich? Wo können wir anknüpfen? Hinzu kommt die scheinbar leichte Möglichkeit, ins Fach Ethik zu wechseln, zwar nur aus Glaubens- und Gewissensgründen, aber es macht die Situation nicht einfacher. Doch es gibt auch die Sternstunden, die zunächst ganz unspektakulär beginnen, wo aber wie aus heiterem Himmel Beiträge kommen, die staunen machen wie gerade beim Thema Familie, aber auch bei der Frage nach Gott (Warum leiden Menschen?) oder bei der Behandlung der 10 Gebote. Der Geist weht eben, wo und wann er will. Und dann ereignet sich eine atmosphärische wie inhaltliche Dichte, die nicht nur zu diesem Fach passt, sondern eigentlich das Wesentliche dieses Faches ausmacht: Jenseits aller Nützlichkeitserwägungen und Effizienzerwartungen Raum für die eigentlichen Fragen des Lebens zu geben.

Der Religionsunterricht, auch am Goethe-Gymnasium, versteht sich also nicht von selbst. Gut, einerseits schon, er ist ordentliches Lehrfach, versetzungsrelevant, in Baden-Württemberg grundsätzlich akzeptiert. Auch, wie gesagt, am Goethe. Zu den traditionellen, im Kollegium und in der Schülerschaft nicht hinterfragten Schulgottesdiensten am Schuljahresende und an Weihnachten kommen viele Lehrer und Schüler. Aber das, was vermittelt werden soll – was eigentlich, abgesehen von den zu lernenden Größen wie z.B. den sieben Todsünden (sehr beliebt bei den Schülerinnen und Schülern) oder den sieben Werken der Barmherzigkeit (eher weniger beliebt)? Glauben, Einsicht, Erkenntnis? Reines Wissen wäre zu wenig. Vielleicht Einsicht in die Relevanz der biblischen Botschaft für die eigene Person, für das Zusammenleben der Menschen, für den Erhalt der Schöpfung? So ungefähr jedenfalls. Hier ist nicht der Raum, um das Thema der Vermittlung religiös-theologischer Inhalte zu behandeln. Aber das, was Religionsunterricht will (und kann!), ist weniger scharf umrissen als in Fächern wie Biologie, Deutsch oder einer Fremdsprache. Immerhin sind wir uns mit den Ethik-Kollegen einig geworden, das soziale Lernen als einen der Schwerpunkte beider Fächer anzusehen mit der Folge, für die 11. Klasse mit Zustimmung des Kollegiums und als erstes Gymnasium in Karlsruhe ein zweiwöchiges Sozialpraktikum zu etablieren. Ferner sammeln Schüler aller Jahrgangsstufen regelmäßig für die Beiertheimer Tafel.

Hierin besteht Not wie Chance eines Faches wie Reli (Schülerjargon). Not, weil offenkundig manchen nicht klar ist, was das Ganze soll, Chance, weil hier die Gelegenheit besteht, zu wirklich wichtigen, persönlichen, existentiellen Fragestellungen durchzudringen. Religion ist das Fach der Fragenden, derer, die sich mit dem scheinbar Unabänderlichen nicht zufrieden geben, die neugierig sind auf das, was die Welt im Innersten zusammenhält (Goethe, ebenda). Das ist nicht unbedingt populär, war es vielleicht noch nie. Aber es sucht den Bereich jenseits des bloßen Faktenwissens, von dem wir mehr ahnen als wissen, wo Erfahrungen zählen und aufgefordert wird, sich auf ganz neue Sichtweisen der Wirklichkeit und des Menschen einzulassen jenseits des Nützlichkeitsdenkens. „Gott ist das, was dich unmittelbar angeht.“ (Paul Tillich) Wie schön, dass es dafür Raum und Zeit in der Schule gibt. Auch hier bei uns am Goethe-Gymnasium.